In der Mai-Ausgabe 2025 von Positionen. Texte zur aktuellen Musik erschien unter dem Schwerpunkt „Extrem gemischer Chor“ ein Beitrag zur probenethnografischen Erforschung feministischen Musiktheatermachens anhand der Vertonung des Jelinkek-Romans Die Liebhaberinnen an der Norrlandsoperan im nordschwedischen Umeå (Regie: Franciska Éry).
Im EDITORIAL zur Ausgabe heißt es:
Eine Woche nach Erscheinen dieses Hefts wird in Nürnberg das Deutsche Chorfest ausgerichtet: 400 Chöre sollen daran teilnehmen– das Singen in der Gruppe ist offensichtlich beliebt wie eh und je, der Hashtag heißt #DeutschlandSingt. Gleichzeitig ist der Abschluss der Arbeit an der 143 mit den Freisprüchen von #Sylt zusammengefallen: Chorsingen verbindet – leider auch die falschen. In der neuen Musik ist es dagegen überraschend still um den Chor: Es gibt zwar Vokalensembles, gemeinsam gesungen wird aber von Vokal-›Solisten‹. In einer Zeit, in der das Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit wächst, gleichzeitig aber ihre Formen brüchig geworden sind, erfährt der Chor neue Konjunktur. Doch was ist ein Chor? Ein Werkzeug politischer Formation? Oder ein Versprechen, das nicht einlösbar ist? Benjamin von Bebber und Leo Hofmann haben uns mit ihrem szenischen Konzert für »extrem gemischten Chor« die Anregung für den Titel der Positionen #143 gegeben.
Mit dem Muff von tausend Jahren räumt in diesem Heft gleich zu Beginn Rosa Klee auf und unterzieht das gutbürgerliche Chorsingen einer derart radikalen Kritik, dass am Ende Raum für Neues entsteht. Das braucht dieses Thema auch, denn damit ist der Weg frei für Salomé Voegelin, die im Gespräch mit Kalas Liebfried versucht, eine zukünftige Praxis zu entwickeln, in der der Chor zu einem »Modell für das Zusammenleben« wird. Wie das konkret aussehen könnte, zeigt der Psychedelic Choir, mit dem wir im Nachgang zu einem Konzert ein Interview geführt haben. Es sind Mitglieder dieses Chors, die auf dem Cover dieses Hefts zu sehen sind und von der Fotografin Evgenia Chetvertkova in Szene gesetzt wurden.
Vielleicht gibt es den Chor der Zukunft aber auch schon heute und diese Möglichkeit umrahmen die drei Texte in der Mitte unseres Hefts: Ulrike Hartung schreibt über Die Liebhaberinnen, die Musiktheaterinszenierung eines Jelinek-Stücks im nördlichsten Opernhaus der Welt, Lena van der Hoven widmet sich der einzigartigen Chorbewegung Südafrikas und den Funktionen von Chören in Musiktheaterkompositionen zum Thema geschlechtsspezifischer Gewalt. Den Blick nach China, wo Chormusik zwischen Staatspropaganda und Pop-A-Cappella noch einmal in ganz anderen kulturellen Zusammenhängen steht, richtet schließlich Fabian Peltsch, der dank einer Recherchereise des Goethe Instituts vor Ort in eine Musikszene eintauchen konnte, die tatsächlich die Millionen erreicht.