So macht Leiden Spaß

von Jürgen Otten, Opernwelt, Mai 2021

„[…] «Oper 2020», so lautet, schlicht und doch irgendwie ergreifend, der Titel einer im Verlag Königshausen & Neumann publizierten, von Merle Fahrholz, Heribert Germeshausen, Ulrike Hartung und Anno Mungen edierten Dokumentation aus der Oper Dortmund, die auf erfreulich rationale Weise, dabei aber durchaus nicht unterkühlt, versucht, Strategien aufzuzeigen, wie mit der Force majeure zu verfahren sei. Als hilfreich erwies sich bei der Entstehung des Buchs die Tatsache, dass Hartung und Mungen bereits 2018 damit begonnen hatten, sich am Forschungsinstitut für Musiktheater (fimt) der Universitat Bayreuth mit «Musiktheater im asthetischen und institutionellen Wandel» auseinanderzusetzen. Germeshausen, seit der Spielzeit 2018/19 Intendant in Dortmund, und Fahrholz, seine Chefdramaturgin und Stellvertreterin, zählten zu ihren ersten Gesprächspartnern, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie, wie bereits zuvor am Theater Heidelberg, eine Öffnung des Hauses in die Stadtgesellschaft hinein befürworteten — was die innovativen Theatermacher mit der Gründung der ambitionierten «Bürger*innenOper We DO Opera!» und dem Aufbau der «Jungen Oper» untermauerten.

Corona bildete in diesem Kontext gewisserrnaßen eine negative Setzung, die positive Potenziale aber nicht zwingend verschüttete, sondern lediglich umleitete – eine gute ldee wird ja nicht unbrauchbar, nur weil man sie nicht augenblicklich realisieren kann. Und so ist der Sammelband, ein Amalgam aus Interviews, Essays und perspektivischen Überlegungen, der beste Beweis dafür, dass Energien nicht versiegen müssen. Zu diesem Ergebnis kommt in einem zentralen Aufsatz der Dortmunder Dezernent für Finanzen, Liegenschaften und Kultur, Jörg Stüdemann, zu dessen Verantwortlichkeitsbereich auch das Sechs-Sparten-Theater Dortmund zählt. «Krisen», schreibt Stüdemann, «verschärfen Veränderungsprozesse, sie lösen Transformationen aus und wirken wie Katalysatoren in Prozessen der Neuorientierung. Alle Kundigen sind sich seit Langem darüber im Klaren, dass das Musiktheater sich für die Gegenwart und die Zukunft neu aufstellen muss.» Daraus resultiert nach Ansicht des engagierten Kulturpolitikers die Frage, wie ein solches Musiktheater, das sich der digitalen Gesellschaft öffne, die Herausforderungen einer diversen Stadtgesellschaft annehme und die Partizipation der Bürgerschaft oder der eigenen Belegschaft systematisch fördere, «konfiguriert» sein muss. […]“