Kritik: Prothesen der Autonomie / Valerie’s Voice

©Jan Bosch

 

Die kontinuierlich zunehmende Diskurslastigkeit der darstellenden Künste zeigt sich am Stadttheater Gießen auch im Musiktheater. Ein Science-Fiction-Doppelabend im Kleinen Haus zeigt zwei zeitgenössische Kammeropern, die sich um unterschiedliche Formen futuristischer Frauenherrschaft drehen – und ausgerechnet von Männern komponiert wurden.

Der schwedische Komponist Christofer Elgh verarbeitete in „Valerie’s Voice“ für Sopran und 4 E-Gitarren das „SCUM-Manifest“ von Valerie Solana: ein historisches Dokument eines radikalen Feminismus, der den Mann nicht nur als „totalen Langweiler“ und „harmlose Null“ diskreditiert, sondern ihn als biologische Fehlkonstruktion, als „walking abortion“ versteht, bei dessen Berührung sich – einem umgekehrten Fluch des Midas gleich – alles in „Scheiße“ verwandelt. Als lose zusammenhängende Nummern komponiert, lässt das Stück der Regie viel Freiheit, die in Gießen eine Handlung um eine irre Mad-Max-Cyperpunk-Wissenschaftlerin (überzeugend in ihrer abgebrühten Lässigkeit: Theresa Bub) spinnt, die an den E-Gitarristen Experimente vollzieht, nur um am Ende eine Cyborg in einem Techno-Ei auszubrüten.

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