„Gefühle sind von Haus aus Rebellen“

Co-Veranstalterin einer Tagung an der Oper Halle

Vom 5. bis 7. Juli 2019 lud ich gemeinsam mit Kornelius Paede und Dominik Frank im Namen des Forschungsinstituts für Musiktheater Thurnau der Universität Bayreuth und der Oper Halle zu einer dreitägigen Tagung im Operncafé der Oper Halle mit dem Titel „Gefühle sind von Haus aus Rebellen.“ Musiktheater als Katalysator und Reflexionsagentur für gesellschaftliche Entwicklungsprozesse ein.

Von links: Kornelius Paede, Ulrike Hartung und Dominik Frank

Im Zentrum der Tagung, die sich über das Wochenende von Freitag- bis Sonntagabend erstreckt, steht die Oper selbst – als kostspieligste, aufwendigste und gleichsam ideologisch am meisten überfrachtete Form der darstellenden Künste. Sie hat mit immer schwerwiegenderen Legitimationsproblemen zu kämpfen: zu artifiziell, zu lebensfern und vor allem zu teuer. Dieser Krisendiskurs ist keineswegs ein rein ästhetischer, sondern ebenfalls überaus politisch. Gleichzeitig scheint sie gerade wegen ihrer inhärenten Künstlichkeit geeignet zu sein, intellektuelle Distanz zu nehmen und gleichzeitig emotionale Agitation zu betreiben. Ist Oper ein „Kraftwerk der Gefühle“ (Alexander Kluge) – oder werden hier gar unter einem Material- und Aktualitätsparadigma Werke geschunden, um Distinktion zu betreiben?

Die vermeintlichen Schwächen der Oper sind dabei womöglich ihre größten Stärken. Denn das Hybride und Synästhetische der Kunstform führt nicht nur zu institutionsgeschuldeter Behäbigkeit, sondern ermöglicht auch Arbeitsweisen, in denen neue Formen von Prozess und Kollaboration gedacht werden, die sich wiederum in entsprechenden politischen Gehalten reflektieren. Entsprechend sind in altehrwürdigen Häusern vermehrt Laboratorien eines emphatischen Musiktheaters entstanden, die sich weder vor der großen Operngeste noch vor einer tagespolitischen Aktualität scheuen und versuchen, die Relevanz des Mediums mithilfe des aktiven Bespielens von Gefühlshaushalten und durch demokratische Dramaturgien wiederzubeleben.

Ist die Politisierung der Oper die Rettung der Demokratie aus dem Geiste des Absolutismus oder bietet die Gattung durch ihren immanenten Antirealismus Möglichkeiten für eine subversive Kunstpraxis, die aus der Gesellschaft kommt und in sie zurückwirken kann?

Diese Fragen will diese kooperative Tagung von Musiktheaterwissenschaftlern und Theaterpraktikern an einem Opernhaus, also umgeben von eben jener Kunstpraxis und gerahmt von Aufführungen in unterschiedlichen Formaten, diskutieren. In vier inhaltlich fokussierten Panels und ausgehend vom konkreten Fall der Oper Halle, die als ein solches Laboratorium verstanden wird, sollen diverse Positionen und Perspektiven auf den gemeinsamen Gegenstand der Oper – sowohl als ästhetische Praxis als auch als institutionelle Struktur – zusammenkommen, um die vielfältigen, vor allem auch politischen Potenziale der Oper als vitale Form darstellender Kunst zu ergründen, aber auch kritisch zu befragen.

Die Oper Halle als eines der derzeit „aufregendsten Musiktheaterhäuser Deutschlands“ (DIE ZEIT) sowie das Forschungsinstitut für Musiktheater Thurnau, dass sich der Weitung des Musiktheaterbegriffs in Gesellschaft, Politik und „everyday performance“ verschrieben hat, stellen gemeinsam die Frage nach den Möglichkeiten von „Oper als Reflexionsagentur der Gesellschaft“.

Alexander Kluge


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert