Hören als Methode. Potentiale des Auditiven für Theatertheorie und -ästhetik

Ein Auszug aus Die Gewissenheit vom Wissen befragen, in Epistene des Theaters: Aktuelle Kontexte von Wissenschaft, Kunst und Öffentlichkeit beinhaltet: […] In Mainz 2010, anlässlich des 10. Kongresses der Gesellschaft für Theaterwissenschaft Theater und Subjektkonstitution, wurde dieses Konzept erstmals als Keynote realisiert. […]

Zwei Jahre später folgte in Bayreuth zum Kogressthema Sound und Performance (11. Kongress der Gesellschaft für Theaterwissenschaft vom 04. bis 07. Oktober 2012) die Keynote Hören als Methode von Christine Ehardt, Ulrike Hartung, Sarah Mauksch und Katharina Rost, die medienhistorische, theatertheoretische und musikwissenschaftliche Zugänge verflocht.

Abstract
Über ein Verständnis von Theater als theatron – Platz, von dem aus gesehen wird – hinaus plädieren wir dafür, auditiv ausgerichtete Positionen, also das Theater als Auditorium – Hörraum –, herauszustellen. Neben einer verstärkt einzufordernden Analyse konkreter Hörerfahrungen gilt es, gegenwärtige Theatererfahrung als Hörprozess zu begreifen. Wir denken, dass diejenigen Dimensionen, die in der Philosophie und Hörtheorie traditionell dem Hören zugeschrieben werden – wie Immersivität, Affiziertheit, Partizipation, Offenheit – gerade im Rahmen der postdramatischen ästhetischen Verfahren zum Tragen kommen und sich eine Parallele aufzeigen lässt: Denn dies sind Aspekte, die auch für weite Bereiche des gegenwärtigen Theaters relevant sind, in denen Strategien wie etwa Publikumsinvolvierung, Rhythmisierung, Musikalisierung, Begegnung, Relationalität verwendet werden. ‚Hören’ ließe sich somit als ein Paradigma von spezifischen Formen zeitgenössischen Theaters untersuchen. Gleichzeitig wird dieses Konzept des Hörens einer kritischen Hinterfragung unterzogen. Denn über Immersivität hinaus besitzt auditive Wahrnehmung weitere räumliche, zeitliche, körperliche Dimensionen und organisierende Prinzipien, die die Wahrnehmung strukturieren. Bestimmten simplifizierenden Konzeptionen des Hörens kann so entgegnet werden. Die daraus resultierenden Erweiterungen dieser Konzeption können in die Praxis der Theaterwissenschaft produktiv einfließen. Bezogen auf historiografisches Arbeiten wirft ‚Hören als Methode’ eigene Fragen und Probleme auf. Im Lauschen auf die vorhandenen Quellen konstituiert sich ein Eindruck des ‚zu-Hörenden’, der immer wieder kritisch befragt werden muss. ‚Hören als Methode’ trägt insofern kritisches Potential in sich, als dass ‚Hören’ nicht mit ‚Gehorchen’ verwechselt werden muss. Eine Konzeption von Theaterwahrnehmung als Hörprozess hätte auch weiterführende Implikationen für das Verständnis der eigenen theaterwissenschaftlichen Arbeit. Diese als Hörprozess zu verstehen, rekurriert auf die eigene performative Praxis der Hervorbringung von Begriffen, Konzepten und Erkenntnissen. Ein Bewusstsein für das eigene Hören, ein Horchen auf den eigenen Hörprozess, ist hierfür wesentlicher Bestandteil. ‚Hören als Methode’ der Theaterwissenschaft zu verfolgen und sich dabei gerade nicht nur auf eindeutig dem Musik-Theater zurechenbare Inszenierungen einzuschränken, birgt die Chance, Theaterwissenschaft als Forschungs-‚performance’ zu begreifen.

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